Reverse Engineering: Das Feld von hinten aufrollen
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Reverse Engineering: Das Feld von hinten aufrollen

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Wenn wir verstehen wollen, wie ein fertiges Gerät oder eine Maschine funktioniert, kann uns Reverse Engineering weiterhelfen. Diese Methode stellt das genaue Gegenteil zum herkömmlichen Engineering dar, bei dem ein Produkt aus verschiedenen Bestandteilen entworfen und zusammengesetzt wird.

Das rückwärts Denken der Vorgehensweise verhilft uns, einen Einblick in die einzelnen Elemente und deren Funktionsweise zu erhalten. Auf diese Weise können unter anderem fertige Produkte optimiert werden, doch auch in weiteren Bereichen wird Reverse Engineering angewendet.

Wir behandeln in diesem Artikel, was sich konkret hinter dem Begriff verbirgt, welche Einsatzbereiche es gibt und was besonders beachtet werden sollte.

Was ist Reverse Engineering?

Beim Reverse Engineering, abgekürzt auch als RE bekannt, geht es darum, den Prozess einer Entwicklung oder Produktion umzukehren. Den Ausgangspunkt stellt das fertige Produkt dar, von dem aus bis zu den Anfängen rückwärts gearbeitet wird. Dies kann bei Produkten zum Beispiel bis zur Konstruktionszeichnung sein oder bei einer Software der Quellcode.

ingenieur an der arbeit

Von Unternehmen wird Reverse Engineering in erster Linie eingesetzt, um Fehler ausfindig zu machen, Qualitätsaspekte sicherzustellen und Prozesse oder Produkte zu optimieren. Häufig ist es der Fall, dass nicht innerhalb der eigenen vier Wände geschaut wird, sondern es werden die Produkte der Konkurrenz beleuchtet. Die Erkenntnisse, die bei den fremden Produkten gewonnen wird, kann anschließend für die eigene Produktion gewinnbringend genutzt werden.

Reverse Engineering ist ursprünglich auf den Bereich des Maschinenbaus zurückzuführen. Unter Anwendung dieser rückwärts arbeitenden Methode konnte man aus populären Verfahren wie Computer-Tomographie oder dem 3D-Scan-Verfahren relevante Informationen erhalten, aus denen dann beispielsweise CAD-Modelle entwickelt wurden.

Wo kommt Reverse Engineering zum Einsatz?

Reverse Engineering wird fast von allen Branchen eingesetzt, die im produzierenden Gewerbe tätig sind. Hier werden vor allem die Produkte der Wettbewerber beobachtet und analysiert. Neu gewonnene Informationen zu Produktionsschritten und möglichen Schwachstellen können sinnvoll für die interne Produktentwicklung genutzt werden.

Innovative Lösungen entstehen insbesondere dann, wenn mehrere Konkurrenzprodukte mit dieser Methode analysiert wurden und die jeweiligen Fehler ausgemerzt und entsprechende Vorteile zusammengefügt werden.

Neben der Produktanalyse von Wettbewerben gibt es zwei weitere große Einsatzbereiche des Reverse Engineerings. Zum einen wird diese Methode bei der Analyse von Hardware eingesetzt und zum anderen bei der Software-Entwicklung. Wir schauen uns beide Bereiche genauer an.

Hardware Reverse Engineering

Für die Analyse von Hardware wird diese in die einzelnen Bestandteile auseinander gebaut, sodass jedes kleinste Teil für sich untersucht werden kann. Dies dient dem Ziel, alte elektronische Systeme zu aktualisieren, so dass diese wieder auf den neuesten Stand der Technik gelangen.

hardware bestandteile eines spielzeugs

Ein weiterer Aspekt liegt darin, dass durch diese Methode ein Konfigurationsaudit vollzogen werden kann, also ob sich die Produkteigenschaften mit der Beschreibung der Konfiguration decken.

Beim Hardware Reverse Engineering stellen die Baugruppen eine Unterkategorie dar. Auch hier werden alle vorhandenen Bestandteile, Komponenten und Strukturen analysiert und nachgebaut.

Software Reverse Engineering

Auf dem Markt der Softwarelösungen herrscht ein starker Konkurrenzkampf. Um sich hier durchzusetzen, ist es hilfreich, die Produkte der Wettbewerber genauestens unter die Lupe zu nehmen. Mit welchen ausgetüftelten Lösungsansätzen arbeitet die Konkurrenz? Wie sieht die Performance aus und welche Funktionalitäten sind integriert? All dies versuchen Unternehmen mit Hilfe von Software Reverse Engineering, kurz SRE herauszufinden.

bildschirm mit code

Für die Vorgehensweise wird in der Regel ein Decompiler verwendet, mit dem die Maschinencodes in eine menschliche Sprache übersetzt werden. Nicht immer ist dieser automatisch ablaufende Prozess durchführbar. In einem solchen Fall muss manuell gearbeitet werden, wobei ein Disassembler zum Einsatz kommt. Nur selten kann wirklich der vollständige Source Code ausgemacht werden.

Von Unternehmen wird Reverse Engineering für Software insbesondere verwendet, um mögliche Code-Fehler ausfindig zu machen oder um eine Funktionsanalyse durchzuführen. Weitere Anwendungsbereiche des Software Engineerings sind:

  • Qualitätsmanagement: Funktionen der eigenen Software prüfen
  • eigene Software optimieren und weiterentwickeln
  • Aufspüren von Schadstellen wie Trojaner, Viren etc.
  • Aufspüren von Fehlern und Schwachstellen
  • Kompatibilitäts-Optimierung mit anderen Softwares oder Plattformen

Reverse Engineering – Beispiel Deutsche Bahn

Reverse Engineering wird von vielen Firmen verschiedener Branchen praktiziert. Ein großes Unternehmen, das durch diese Methode stark profitiert, stellt die Deutsche Bahn dar.

Deutsche Bahn, Logo, Schriftzug, Db, Firmenzentrale berlin

Das Problem des Transportunternehmens war, dass auch noch Wagen im Einsatz sind, die bereits einige Jahre auf dem Buckel haben und somit mit erhöhten Instandhaltungskosten einhergehen. Zunehmend kritischer wurde gleichzeitig die Verfügbarkeit von Ersatzteilen solch alter Modelle. Teilweise musste das Unternehmen ein dreiviertel Jahr auf die Lieferung bestellter Teile warten. Durch den Ausfall der Lokomotiven kam es zu hohen finanziellen Einbußen.

Als Lösungsversuch wurde auf Reverse Engineering gebaut. Mithilfe dieser Methode konnten die entsprechenden Bauteile additiv gefertigt werden und tatsächlich gelang es der Deutschen Bahn damit, seine Ausgaben für Reparaturen um mehr als die Hälfte zu senken. Diese Ersparnis kommt vor allem durch die verkürzten Wartezeiten zu standen, da nun die Ersatzteile in kürzerer Zeit produziert werden können.

Die Kombination aus Reverse Engineering und additiver Fertigung hat nicht nur bei der Deutschen Bahn Erfolg gezeigt: Im Verfahren des Reverse Engineering werden die erforderlichen Daten gesammelt, die mit dem 3D-Druck zügig bearbeitet werden können. Kosten und Zeit werden gleichermaßen eingespart – eine perfekte Lösung für verschiedenste Branchen.

Reverse Engineering – Fallstricke

Reverse Engineering kann für produzierende Unternehmen einen großen Gewinn darstellen. Fehler können behoben, Qualitätsmanagement betrieben und Prozesse optimiert werden. Doch wie bei fast allen Strategien und Maßnahmen gilt es auch beim Reverse Engineering ein Auge auf mögliche Fallstricke und negative Auswirkungen zu werfen.

Eine Gefahr hier liegt darin, dass der Fokus zu stark auf die Konkurrenz gerichtet wird, worunter die interne Kreativität und Innovation leiden kann. Außerdem sollte darauf geachtet werden, immer noch ein neues Produkt zu entwickeln und nicht einfach eine 1:1-Kopie auf den Markt zu bringen.

Ein weiterer Nachteil kann in den aufzubringenden Ressourcen liegen. Je nachdem, welche Produkte wie intensiv analysiert werden, kann dies mit erheblichen Kosten und Zeit verbunden sein.

Zu beachten ist außerdem, dass auch diese Methode an ihre Grenzen stoßen kann. Gerade bei komplexen Produkten kann es vorkommen, dass es selbst mit intensiver Analyse und modernen Verfahren nicht gelingt, jeden einzelnen Schritt zu entschlüsseln.

Um diese Fehler zu vermeiden, kann es sich lohnen mit einer Agentur für Produktmarketing zusammenzuarbeiten.

Fazit: Lohnt sich RE?

Allgemein lässt sich sagen, dass je komplexer die Produkte und Entwicklungsprozesse sind, desto mehr Zeit wird für die Analyse benötigt und desto weniger wirtschaftlich wird diese Methode letzten Endes sein. Es gilt also stets im Einzelfall zu prüfen, Kosten und Nutzen gegeneinander abzuwägen und den ROI zu ermitteln. So lässt sich feststellen, ob sich Reverse Engineering lohnt.

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