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Neuromarketing: Definition, Beispiele 6 Tipps

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Der Begriff Neuromarketing ist im Kommen. Wofür er genau steht und wie Neuromarketing in Marktforschung und Marketing erfolgreich eingesetzt wird, ist vielen noch unklar.

Neuromarketing ist ein relativ neues Feld der Marktforschung. Die teils altbewährten Techniken werden angepasst, neue Tools werden eingesetzt. Dieser Sortlist-Artikel gibt einen Überblick darüber, was Neuromarketing bedeutet, wie es die Marktforschung verändert und wo es eingesetzt wird.

Was ist Neuromarketing?

Neuromarketing ist per Definition eine Disziplin, die Kauf- und Marketingverhalten untersucht und versucht vorhersehbar zu machen. Dabei werden neurowissenschaftliche Erkenntnisse angewandt. Die Neurowissenschaften sind ein Bereich, der die Funktion des Nervensystems und seine Beziehung zu höheren Funktionen wie Gedächtnis, Aufmerksamkeit oder Emotion erforscht.

Neuromarketing ist aber nicht nur Hirnforschung. Vielmehr ist es ein multidisziplinäres Forschungsfeld bei dem verschiedene Disziplinen mit einander verschmelzen. Dazu zählen beispielsweise die Psychologie und die Wirtschaftswissenschaft. Das hat zum Ziel die Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft möglichst effizient in der Praxis umzusetzen.

Die Erkenntnisse des Neuromarketings helfen Marketing-Experten, die Reaktionen und das Verhalten der Kunden auf Werbe- oder Kommunikationsreize zu verstehen, zu antizipieren und entsprechende Entscheidungen zu treffen. Die erzielten Ergebnisse eignen sich für Offline- und Online-Werbung, Fernsehen, Verpackungsdesign, visuelles Marketing oder Netzwerk- und Softwaredesign usw.

80 bis 95% unserer Kaufentscheidungen sind unbewusst und überaus emotional. Das Wissen darüber, wie diese unbewussten und emotionalen Kaufentscheidungen getroffen werden, hilft, diese zu steuern. Genau hier setzen Neuromarketing-Maßnahmen an.

Dieses Vorgehen ist mittlerweile nicht mehr wirklich neu. Neuromarketing entstand als Forschungsdisziplin rund um die Jahrtausendwende. Seit den 2000er Jahre werden dazu Tests und Studien durchgeführt, um das Potenzial eines tiefen Verständnisses über Kunden bestmöglich auszubauen.

In Deutschland wurde die Neuromarketing-Forschung eingangs vom Diplom-Psychologen Dr. Hans-Georg Häusel geprägt. Der Hirnforscher schrieb in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Sachbücher darüber, was im Gehirn vorgeht, wenn Menschen sich für einen Kauf entscheiden und wie Marketeers dieses Wissen einsetzen können. Die Forschung von Hans-Georg Häusel fokussierte sich vor allem, auf die emotionalen Reaktionen von Konsumenten.

„Nur Emotionen geben der Welt Wert und Bedeutung. Produkte und Dienstleistungen die keine Emotionen auslösen sind für das Gehirn wertlos“, so Häusel auf seiner Website. Der Gehirn-Forscher publizierte vor knapp zwei Jahrezehnten das „Limbic“-Modell, das Neurowissenschaft mit Erkenntnissen aus Psychologie, Evolutionsbiologie und empirischer Konsumforschung verknüpft. In diesem limbischen System werden Konsumenten mittels Persönlichkeitstest in 7 „Gehirn-Typen“ unterteilt.

Neuromarketing hat sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt und in der Marktforschung Fuß gefasst. Persönlichkeitstests sind vielerorts biometrischen Messtechniken gewichen.

Trotz Skeptikern und Kritikern setzen etliche große Unternehmen die Technologie verstärkt in den Bereichen Produktdesign-, Verpackungs- und Werbekampagnen ein.

Wie funktioniert Neuromarketing heute?

Aktuell stützen sich Neuromarketing-Maßnahmen oft auf Erkenntnisse der User Experience-Forschung. Hier werden zur Erfassung von Daten biometrische Messtechnologien eingesetzt.

Diese umfassen:

  • Eye-Tracking oder Blickerfassung ist die Aufzeichnung der Augenbewegungen. Im Online-Marketing wird Eye-Tracking bei Usability-Tests für die Ergonomie von Website eingesetzt. Dadurch erhalten UX Designer zum Beispiel Aufschlüsse darüber, wo der Kauf-Button eines Online-Shops angebracht werden soll.
  • Gesichts-Codierung wird zur Analyse von Gesichtsausdrücken eingesetzt.
  • Elektrodermale Aktivität ist das kurzfristige Absinken des elektrischen Leitungswiderstandes der Haut. Dabei bildet sich auf der Hautoberfläche Schweiß. Ausgelöst wird diese Reaktion durch Emotionen oder Stress.
  • Reaktionszeit im Marketing beschreibt nicht die Sekunden, die vergehen, bis wir auf Gefahren reagieren. Viel eher geht es um die Zeitspanne, in der das Gehirn Informationen und Eindrücke verarbeitet.
  • Atmung und Herzfrequenz werden zur Untersuchung physiologischer Reaktionen auf Reize eingesetzt.

Zusätzlich kommen Technologien aus der Neurowissenschaft zum Einsatz. Die folgenden Messtechnologien werden zur Überwachung der Aktivitäten im Gehirn eingesetzt:

  • Elektroenzephalographie (EEG): Dabei wir an der Kopfoberfläche die summierten elektrischen Aktivität des Gehirns gemessen.
  • Funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) ist ein bildgebendes Verfahren bei dem aktivierte Hirnareale abgebildet werden. In der Medizin werden so Durchblutungsstörungen im Gehirn untersucht.
  • Magnetenzephalographie (MEG) meint die Messung der magnetischen Aktivität des Gehirns.

Diese Messmethoden können zusätzlichen Einblick in die Reaktionen von Konsumenten bieten. Vor allem unbewusste und unterbewusste Reaktionen können dadurch aufgedeckt werden.

und können zusätzlichen Einblick in die Reaktionen von Konsumenten bieten. Vor allem unbewusste und unterbewusste Reaktionen können dadurch aufgedeckt

Das Verständnis der positiven oder negativen Reaktionen auf sensorische Reize wie Farben, Geräusche und andere Eigenschaften kann Marketingfachleuten und Produktdesignern helfen, das Design und die Marken-Botschaft auf die Eigenschaften der Konsumenten anzupassen, um Kunden und ihre Emotionen effektiver zu beeinflussen.

Wie setzen Marken Neuromarketing ein?

Wie sehr Marketing unsere Wahrnehmung bestimmen kann, legte eine Studie Baylor-Colleges in Houston offen, die unter dem Namen „Cola War“ bekannt wurde. Dabei kosteten Probanden blind zwei Sorten braune Erfrischungsbrause: Coca Cola und Pepsi Cola. Am Umsatz gemessen liegt Coca Cola weit vor Pepsi. Mit dem Geschmack hat das aber anscheinend wenig zu tun, denn Pepsi gewann die Blindverkostung. Nachdem den Probanden gesagt wurde, welche Limonade von welcher Marke ist, wurde nochmal gekostet. Viele änderten daraufhin ihr Urteil und sagten, dass Coca Cola besser schmecke.

Bei parallel aufgenommenen MRT-Bildern zeigte sich, dass das Trinken der Cola vor der Markennennung vorrangig das Belohnungszentrum im Gehirn aktivierte. Nach der Markennennung war jenes Areal zusätzlich aktiv, das für das Selbstbild des Menschen zuständig ist. Dieses Beispiel zeigt, wie tief Marketing in das Gehirn der Konsumenten dringen kann.

In der jüngeren Vergangenheit haben einige große Marken wie Coca Cola, Pepsi oder Apple neurowissenschaftliche Methoden eingesetzt, um zu messen, wie Kunden auf die jeweiligen Marken reagieren. Diese Marktführer sind aber nicht die einzigen Unternehmen, die Neuromarketing einsetzen. Auch Marken wie Campbell’s Soup, Gerber und Frito-Lay verwenden „Consumer Neuroscience“, um unter anderem ihre Verpackungsdesigns neu zu gestalten.

Vorgehensweise

In den dazugehörigen Marktforschungsstudien wird den Probanden beispielsweise die Verpackung des jeweiligen Produkts gezeigt. Dann wird mittels neurowissenschaftlicher Methoden ausgewertet, ob die Probanden positiv, neutral oder negativ reagieren. Diese Erkenntnisse werden dann in einem tiefergehenden Interview aufgegriffen mit dem Ziel bestimmte Punkte im Detail zu analysieren, die zu Entscheidungen über Änderungen von Design-Elementen wie Farbe, Textgröße und Bildmaterial führen.

Mittlerweile gibt es auch Algorithmen, die ohne aufwendiger Studie Ergebnisse liefern, die auf neurowissenschaftlichen Erkenntnissen basieren. Die Software FLAI misst anhand von Variablen welche Emotionen Content bei Kunden möglicherweise auslöst. Somit können A/B-Test durchgeführt werden, ohne dass der dazugehörige Text publiziert werden muss.

Dabei wird Content auf die folgenden vier Parameter hin „untersucht“:

  • Wie einfach der Text zu verstehen ist,
  • ob er beim User positive Emotionen auslöst,
  • wie aufregend der jeweilige Inhalt ist und
  • welche Autorität der Content dem Leser vermittelt.

Beispiele

Der Chips-Hersteller Frito-Lay wollte seinen Marktanteil bei Frauen erhöhen. Dazu führte der US-Konzern eine fMRI-basierte Studier durch. Diese ergab, dass die glänzende Verpackung jenen Bereich des Gehirns stimuliert, der Schuldgefühle und Schamgefühle hervorruft. Diese Erkenntnis führte zu einer Neugestaltung der Verpackung. Die Chipstüten waren von nun an mit einem matten statt mit einem glänzenden Finish überzogen. Dem Umsatz tat das gut.

Der japanische Fahrzeughersteller Hyundai ließ in seiner Neuromarketing-Studie 30 Probanden EEG-Kappen aufsetzen und ein Auto betrachten. Die Ergebnisse der neurowissenschaftlichen Messungen ergaben, dass das Design des Autos geändert werden sollte.

Das Zahlungsunternehmen PayPal ließ TV-Spots analysieren und stellte fest, dass Werbespots, die sich auf Geschwindigkeit und Bequemlichkeit der Transaktionen konzentrieren, eine deutlich höhere Response-Rate haben als jene die die Sicherheit der Paypal-Zahlungen hervorheben. Daraufhin entwickelten das Unternehmen eine völlig neue Werbekampagne.

4 Tipps, wie Sie Neuromarketing einfach anwenden können

Setzen Sie Farbe kreativ ein

Die Wissenschaft zeigt, dass Farben Emotionen im Gehirn von Konsumenten auslösen können. Möchten Sie, dass Kunden Ihr Produkt mit einem lebendigen Gefühl verbinden? Dann wählen Sie rot. Möchten Sie ruhig und zuverlässig erscheinen? Dann wählen Sie ein beruhigendes Mittelblau. Wenn Sie keine Ahnung haben, wie und wo Sie mit dem Neuromarketing beginnen sollen, können Sie über Sortlist jederzeit den Rat eines Farb- und Designexperten einholen.

Spielen Sie mit verschiedenen Schriftarten

Serifenlose minimalistische Schriftarten helfen Menschen Texte möglichst schnell zu lesen. Das ist besonders wichtig, wenn ein Text eine Anweisung für eine bestimmte Aktion enthält. In anderen Fällen können komplexere und weniger simple Schriftarten hingegen das Gehirn Ihrer (potenziellen) Kunden stimulieren.

Achtung! Das heißt aber nicht, dass Logos, Kontaktdaten oder Claims in einer aufwendigen und schwer zu lesenden Schriftart gestaltet werden sollten.

Machen Sie Inhalte leicht zugänglich

Ähnliches wie für die Schriftart gilt auch für Text- und Grafik-Elemente. Texte und Bilder müssen klar sichtbar sein und dem Konsumenten klar vermitteln, welche Maßnehmen er oder sie ergreifen soll. Texte können beispielsweise mit Aufzählungszeichen, Absätzen und Tabellen grafischen unterbrochen und visuell besser aufbereitet werden. Das macht es einfacher Text-Elemente mit dem Auge zu überfliegen und trotzdem das Wesentliche zu erkennen.

Mit einem Lächeln zu mehr Conversions

Es mag mitunter intuitiv erscheinen, Marketing-Kampagnen mit lächelnden Menschen zu füllen, dahinter steckt aber jede Menge Wissenschaft. Neuromarketing-Studien zufolge erzeugt das Lächeln einer anderen Person in unserem Gehirn ein Gefühl von Freude. Das wiederum führt zu einer positiven Assoziation und einer engeren Bindung mit dem beworbenen Produkt.

Es ist gängige Praxis im Marketing das Medium Fotografie einzusetzen, um Dinge menschlicher zu machen. Das zählt auch für die Websites von Unternehmen, die mit diversen Porträts vermenschlicht werden. Hier gilt es aber die richtigen Fotos und Posen auszuwählen. Studie haben belegt, dass der ernstblickende Geschäftsmann mit der Stirnfalte nicht unbedingt die beste Wahl ist, um bei Usern eine positive Reaktion auszulösen. Menschen ist eher zu einer Kaufentscheidung bereit, wenn Sie mit einem Lächeln konfrontiert werden. Überprüfen Sie daher die Auswahl der von Ihnen verwendeten Fotos dahingehend.

Fazit

Das Verständnis der Wissenschaft hinter menschliche Emotionen ist wichtig, um die Kaufgewohnheiten der Kunden zu verstehen. Neuromarketing ist mittlerweile oft die treibende Kraft hinter globalen Markenoperationen, die überaus positive Ergebnisse erzielen. Auch wenn Ihr Unternehmen nicht über das nötige Budget verfügt, um eine umfassende Neuromarketing-Studie zu veranlassen, gibt es Wege, wie Sie von der Forschung profitieren können.

Erkenntnisse aus der Neuromarketing-Forschung können in Outbound- und Inbound-Marketingstrategien integriert werden. Wenn Sie die oben genannten Tipps befolgen, können Sie auf einfachem Weg mehr Vertrauen in die Gestaltung jener kreativer Kampagnen erlangen, die bei Ihrer Zielgruppe Emotionen auslösen und die sie dazu bringen, Ihr Angebot zu lieben.

Die Prinzipien des Neuromarketings zu verstehen ist einer der besten Wege, um mit wenig Geld bessere Ergebnisse zu erzielen!

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