Visuelle Suche: Der neue Suchmaschinen-Trend?
Letzte Aktualisierung am 9 November 2023 um 11:18 am
Eine Pflanze einscannen und sofort die Art genannt zu bekommen, einen Hund abfotografieren, um die Rasse herauszufinden oder ein Kleidungsstück vor die Kameralinse halten, um einen ähnlichen Artikel online erwerben zu können: dies alles sind Beispiele für die visuelle Suche. Was vor Jahren noch undenkbar war, befindet sich derzeit stark in der Entwicklung.
Mithilfe künstlicher Intelligenz können technische Maschinen Formen, Farben und Strukturen erkennen und zuordnen. In diesem Artikel schauen wir uns die neue Technologie genauer an und besprechen, welche Potenziale, aber auch Gefahren sie mit sich bringt.
Nach Voice Search folgt der nächste Suchmaschinentrend
„Hey Siri, wie spät ist es gerade in Wellington, Neuseeland?“, „Hey Google, wie wird das Wetter morgen?“ ‒ die sprachgesteuerte Suche wird vor allem gerne über das Smartphone genutzt. Kein Wunder, viel schneller erlangt man die gewünschten Informationen, als müssten die Fragen in die Suchmaschinenleiste eingetippt werden. Eine bahnbrechende Innovation. Doch damit nicht genug.
Was, wenn mit Worten nicht genau beschrieben werden kann, wonach gesucht wird? Es war nur eine Frage der Zeit, bis Visual Search als neuer Trend den Markt erobert. Bilder sagen schließlich mehr als 1000 Worte.
Was ist Visual Search?
Anders als bei der gewöhnlichen Suche wird bei Visual Search (dt.: Visuelle Suche) kein Keyword in die Suchmaschine eingegeben, sondern ein Bild. Die Suchmaschine analysiert die Farben, Muster und Formen der gezeigten Abbildung, gleicht diese mit der Datenbank ab und präsentiert dazu passende Ergebnisse.
Visual Search ist nicht mit der Google-Bildersuche (Image Search) zu verwechseln. Statt mit Text nach Bildern zu suchen, wird bei Visual Search mithilfe von Bildern nach Informationen gesucht.
Zur Erfassung des Objektes werden derzeit diverse Apps wie Bing Visual Search oder Google Lens verwendet. Dabei ist es egal, ob der Nutzer das Objekt selbst vor die Linse hält oder ein Bild abfotografiert wird.
Wie funktioniert die visuelle Suche?
Die Funktionsweise der visuellen Suche ist hochkomplex. Sie basiert auf Machine Learning und hat noch lange nicht ihr volles Potenzial erreicht.
Wenn wir Menschen ein Objekt betrachten, verarbeitet unser Gehirn innerhalb von Millisekunden das visuelle Erlebnis und gleicht es mit gelernten, gespeicherten Informationen ab. So können wir nur einen Teil eines Objektes sehen und wissen trotzdem, um was es sich handelt, da das Gehirn die fehlenden Informationen aus der Datenbank vervollständigt.
Bei Visual Search funktioniert dies ähnlich. Die Suchmaschine hat bereits einen immensen Datenspeicher. Wird ihr ein Bild gezeigt, werden dessen Merkmale mit den gespeicherten Informationen abgeglichen. Je mehr Daten vorliegen, desto präzisere Ergebnisse erzielt die Suchmaschine.
Handelt es sich hingegen um sehr rare antiquarische Gegenstände, die niemals fotografiert wurden, geschweige denn ins Netz hochgeladen wurden, wird es der Suchmaschine unmöglich sein, Ergebnisse zu diesem Objekt zu liefern.
Bedeutung für das e-Commerce
Die Technologie der visuellen Suche bietet für das e-Commerce ein erhebliches Potenzial. Hier lässt sich zwischen zwei Aspekten differenzieren: Die Visuelle Suche für die eigenen Kanäle oder für fremde Kanäle nutzen. Wir schauen uns das Ganze näher an.
Eigene Kanäle
Für Online-Shops kann die Visuelle Suche ein großer Zugewinn sein, indem die neue Technologie in die vorhandene Suchfunktion integriert wird. Hat ein Nutzer genau vor Augen, welches Kleidungsstück er kaufen möchte und ein Bild von diesem parat, muss er sich nicht erst durch Filtereinstellungen klicken und etliche Katalogseiten durchscrollen.
Stattdessen lädt dieser das Bild hoch, die Suchmaschine gleicht es mit dem Bestand des Online-Shops ab und im Idealfall wird dem potenziellen Käufer genau das angezeigt, wonach er gesucht hat. Dies muss natürlich nicht auf das Hochladen von Nutzerbildern beschränkt werden. Sieht der Kunde beim Stöbern ein Produkt, das ihn anspricht, besteht die Möglichkeit, das entsprechende Artikelbild in die Suche einzugeben, um ähnliche Ergebnisse präsentiert zu bekommen.
Praxisbeispiel Zalando
Diese innovative Art der Suchanfrage wurde in der Praxis bereits vom Online-Versandhändler Zalando umgesetzt. Das Unternehmen hat stets das Bestreben, neue Trends und Technologien zu nutzen, um das Shopping-Erlebnis für seine Kunden weiter zu optimieren. Eine spezielle App für den Online-Shop gibt es schon lange.
Wenn Nutzende jetzt ein schönes Kleidungsstück an einer Schaufensterpuppe oder einer anderen Person sehen, können sie schnell einen Schnappschuss tätigen, das Bild in die App laden und schon werden ähnliche Produkte angezeigt.
Leider wird hier deutlich, dass die Technologie der visuellen Suche noch in der Entwicklung steckt. So kommt es gelegentlich vor, dass die vorgeschlagenen Artikel recht stark vom gewünschten Bild abweichen oder die Suche gar keine Treffer erzielt, obwohl ähnliche Produkte im Sortiment vorhanden sind.
Praxisbeispiel Shnap
Eine weitere App die in der Welt der Mode angesiedelt ist, ist Shnap. Hier können die Nutzenden entweder ein Bild aus der Galerie in die App laden, oder direkt innerhalb der App ein Foto aufnehmen. Die Anwendung sucht dann online nach passenden Items. Die Suche kann mittels verschiedener Filter noch weiter präzisiert werden.
Das von uns getestet Kleidungsstück wurde von Shnap allerdings nicht gefunden, obwohl es zum Zeitpunkt des Tests noch im Online-Shop verfügbar war. Stattdessen ergab dir Suche nur ähnliche, jedoch nicht den exakten Artikel.
Im Gegensatz zu Zalando ist Shnap nicht nur auf einen einzigen Store begrenzt. Weiterhin gibt es auch eine Erweiterung für Chrome, sodass die Funktion auch auf dem Desktop zur Verfügung steht.
Praxisbeispiel Pinterest
Über die App Pinterest Lens können User ein Foto in die Suchfunktion hochladen, woraufhin ihnen themenrelevante Pins angezeigt werden. Auch hier müssen es nicht zwangsläufig eigens hochgeladene Bilder sein, auch vorhandene Pins können für die Suche bei Pinterest genutzt werden.
Eine besondere Feinheit liegt darin, dass sogar Objekte innerhalb eines Bildes ausgewählt werden können. Bildet ein Pin beispielsweise ein gemütlich eingerichtetes Wohnzimmer im Herbst-Style ab, kann sowohl das Tablett mit Kerzen als auch die schicke Couch oder das kunstvoll bestickte Kissen angeklickt werden, um auf Pinterest gezielt nach diesen Elementen zu suchen.
Fremde Kanäle
Die visuelle Suche kann nicht nur eine Bereicherung für den eigenen Kanal sein, sondern bietet auch einen Mehrwert für das Marketing auf fremden Kanälen. Nehmen wir die sozialen Plattformen, die aus dem heutigen e-Commerce kaum noch wegzudenken sind. Marketing auf Instagram, Social Media und Co. erreicht nicht nur eine große Zielgruppe, sondern ist außerdem sehr vielfältig ‒ und wird durch Visual Search noch vielfältiger.
Werbung kann durch die visuelle Bilderschließung und automatische Objekterkennung direkt in ein Bild eingefügt werden. Nehmen wir nur den beliebten Call-to-Action-Button, der die Nutzerin direkt zum Warenkorb des Online-Shops befördert.
Herkömmlicherweise wurde dieser bislang nur unterhalb der Foto- oder Video-Ads angezeigt. Durch die visuelle Bilderschließung ist es möglich, diesen jetzt vollständig zu integrieren. Gefällt der Nutzerin das Kleid der Frau im Video, genügt ein Klick auf das Objekt, um zum gewünschten Produkt zu gelangen.
Gefahren visueller Suche
Wie bereits erwähnt, hat die visuelle Suche noch nicht ihr volles Potenzial erreicht, eher im Gegenteil. Da sie noch in den Anfängen ihrer Entwicklung steckt, sind vorkommende Fehler, wie es beim Modehändler Zalando der Fall ist, keine Einzelerscheinung. Entweder werden Bilder auf Grund mangelnder Datenkenntnis falsch zugeordnet oder die Suche ergibt gar keine Treffer, obwohl die Ergebnisse eigentlich vorhanden wären.
Möchten Sie die visuelle Suche in Ihren Online-Shop integrieren, muss Ihnen bewusst sein, dass sich solche Fehler einschleichen können. Deshalb wäre es ratsam, Unterstützung bei einer Agentur für e-Commerce zu suchen.
Konsequenzen für klassischen Vor-Ort-Verkauf?
Für den klassischen Vor-Ort-Verkauf ergeben sich durch die visuelle Suche schwerwiegendere Nachteile als im e-Commerce. Besuchen Kundinnen den stationären Handel, ist es ein Leichtes, das im Geschäft befindliche Produkt abzufotografieren und online einen Preisvergleich abzufragen. Innerhalb von Sekunden werden Produkte der Konkurrenz gelistet.
Der stationäre Handel hat es ohnehin schon schwer, mit den günstigeren Preisen von Online-Anbietern mitzuhalten. Schließlich müssen im Netz keine horrenden Ladenmieten gezahlt werden und auch die Personalkosten sind reduziert. Hinzu kommt der Nachteil, dass Geschäfte in der Einkaufsstraße nicht rund um die Uhr erreichbar sind. Diese Gefahren, geknüpft an den einfachen Preisabgleich durch die visuelle Suche, können sich äußerst negativ auf den stationären Handel auswirken.
Wie kann der stationäre Handel Visual Search für sich nutzen?
Die Herausforderung der visuellen Suche ist, diese für den stationären Handel gewinnbringend zu nutzen, um so die negativen Aspekte aufzuwiegen. Eine Möglichkeit besteht darin, einen optimierten Übergang zwischen dem eigenen Online-Shop und dem Ladengeschäft aufzubauen.
Während im stationären Geschäft auf Grund der begrenzten Ladenfläche häufig nicht das gesamte Sortiment präsentiert werden kann, geht dies im Onlinehandel problemlos. Gibt es beispielsweise das gewünschte T-Shirt nicht in der passenden Größe, könnte der Kunde das Produkt einscannen und den Artikel im Handumdrehen im Online-Shop des Geschäfts bestellen.
Auf diese Weise sind die Vorteile des virtuellen und realen Einkaufens ideal miteinander verknüpft. Schließlich gehen viele Menschen immer noch gerne ins Geschäft, um die Produkte vor dem Erwerb in den Händen zu halten. Mit der visuellen Suchanfrage ist das Sortiment in den Läden nicht weiter begrenzt.
Es besteht aber natürlich weiterhin die Gefahr, dass der Kunde durch die visuelle Anfrage auf vergleichbare Angebote der Konkurrenz trifft und sich möglicherweise für diese entscheidet, statt dem Geschäft treu zu bleiben, in dem er sich gerade befindet.
Nutzen und Vorteile von Visueller Suche
Während der Vor-Ort-Handel möglicherweise nur eingeschränkt von der visuellen Suche profitiert, bietet diese für den e-Commerce ganz neue Möglichkeiten. Von immer und überall können potenzielle Kundinnen in den Sales-Funnel zum Erwerb Ihres Produktes gelangen.
Überall springen potenziellen Kundinnen Produkte ins Auge, die sie gerne erwerben möchten. Schnell abfotografiert wird den Nutzenden direkt gesagt, wo diese erhältlich sind. Die Folge könnte sein, dass Kundinnen selbst ganz ohne Marketing zu Ihrem Shop geleitet werden.
Ein weiterer Nutzenfaktor für Unternehmen kann darin liegen, ihr Image und die Verwendung ihrer Produkte aufzudecken. So können Sie beispielsweise mit der Reverse-Bildersuche nach dem Logo Ihres Unternehmens oder Ihren speziellen Produkten suchen und so erfahren, in welchem Zusammenhang beide erscheinen.
Ein großer Sektor, in dem Visual Search ebenfalls eine bedeutende Rolle spielen kann, ist der Tourismus. Wird eine neue Stadt erkundet, können Touristen beispielsweise im Vorbeigehen ein schickes Restaurant abfotografieren und online einen Tisch für das Abendessen reservieren oder schon einmal Tickets für eine Sehenswürdigkeit buchen.
Fazit
Voice Search hat als Suchmaschinentrend bereits viele Erfolge verzeichnet und wird vom Endverbrauchenden gern genutzt. Visual Search als Weiterentwicklung scheint sogar noch eine bedeutendere Veränderung im Suchverhalten zu erzeugen. Mit zunehmender Nutzung wird sich das Machine Learning so weit verbessern, dass die Suchanfragen mit Bildern zu präzisen und genauen Ergebnissen führen. Ein Mehrgewinn nicht nur für den e-Commerce.